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.«»Ein Brief?«»Vor zwei Tagen hat ihn jemand vor meine Haustür gelegt.Lesen Sie, lesen Sie nur …«»Ein Satz nur …«»Aber ein sehr deutlicher, nicht?«»Thomas …«»Thomas.Sie haben recht, Pastor.Sie werden ihn niemals finden, diesen Mann.Aber nicht, weil er tot ist.Weil er lebt.Er ist lebendiger als Sie und ich zusammen.Er ist so lebendig, wie es jagende Tiere sind.«»Savigny, ich versichere Ihnen, daß …«»Er ist lebendig.Und im Gegensatz zu mir hat er gute Gründe, es zu bleiben.«»Aber das ich doch Irrsinn, Savigny.Ein brillanter Arzt wie Sie, eine Berühmtheit, jetzt … gerade jetzt, da die Türen der Akademie Ihnen weit offen stehen … Sie wissen genau, daß Ihre Forschung über die Auswirkungen von Hunger und Durst … nun ja, wenn ich selbst sie auch als eine mehr romanhafte als eine wissenschaftliche Arbeit beurteile …«»Baron …«»… so hat sie meine Kollegen doch sehr beeindruckt, und ich freue mich ganz besonders für Sie, die Akademie verneigt sich vor Ihrem Charme und … auch vor Ihren … schmerzlichen Erfahrungen … das kann ich verstehen … was ich aber nicht im geringsten verstehen kann, ist, warum Sie sich ausgerechnet jetzt in den Kopf gesetzt haben, sich in einem verlassenen Loch in der Provinz zu verstecken, um, hört, hört, den Landarzt abzugeben, ist das richtig so?«»Ja, Baron.«»Ach ja, herzliche Gratulation … es gibt keinen Arzt in der Stadt, der nicht sonst was darum gäbe, was sage ich, der nicht davon träumte, Ihren Namen zu tragen und Ihre brillante Zukunft vor sich zu haben, und was beschließen Sie? In einem Dorf zu praktizieren … welches Dorf wäre das eigentlich?«»Auf dem Land.«»Das habe ich bereits verstanden, aber wo?«»Weit weg.«»Soll ich daraus schließen, daß man nicht wissen darf, wo?«»Das wäre mein Wunsch, Baron.«»Absurd.Sie verhalten sich schmählich, Savigny, unter aller Kritik, unvernünftig, verwerflich.Ich kann keine plausible Rechtfertigung für Ihr unverzeihliches Verhalten finden und … und … ich kann mir nichts anderes denken als dies: Sie sind verrückt!«»Es ist umgekehrt: Ich will es nicht werden, Baron.«»Da … das da ist Charbonne … Sehen Sie dort unten?«»Ja.«»Ein schönes Städtchen.Sie werden sich wohl fühlen.«»Ja.«»Hoch mit Ihnen, Doktor … so.Halten Sie das einen Augenblick, so … Sie haben die ganze Nacht phantasiert, Sie müssen etwas unternehmen …«»Ich habe dir doch gesagt, daß du nicht hierzubleiben brauchtest, Marie.«»Was machen Sie da? … Sie wollen doch wohl nicht aufstehen …«»Sicher will ich aufstehen …«»Aber Sie können doch nicht …«»Marie, der Doktor bin ich.«»Ja, aber Sie haben sich diese Nacht nicht erlebt … es ging Ihnen wirklich schlecht, Sie schienen verrückt zu sein, Sie sprachen mit Gespenstern, und Sie schrien …«»Ich habe geschrien?«»Sie haderten mit dem Meer.«»Ohhh, schon wieder?«»Sie haben böse Erinnerungen, Doktor.Und böse Erinnerungen verderben das Leben.«»Es ist ein böses Leben, Marie, das die Erinnerung verdirbt.«»Aber Sie sind nicht böse.«»Ich habe Dinge getan, da unten.Und die waren grauenhaft.«»Warum?«»Sie waren grauenhaft.Niemand könnte sie verzeihen.Niemand hat sie mir verziehen.«»Sie sollten nicht mehr daran denken …«»Und noch grauenhafter ist dieses: Ich weiß, daß ich, wenn ich heute dahin zurückkehren müßte, die gleichen Dinge wieder tun würde.«»Hören Sie auf, Doktor …«»Ich weiß, daß ich die gleichen, identischen Dinge wieder tun würde.Ist das etwa nicht abscheulich?«»Doktor, ich bitte Sie …«»Ist das nicht abscheulich?«»Die Nächte werden langsam wieder kühler …«»Ja.«»Ich würde Sie gern nach Hause begleiten, Doktor, aber ich will meine Frau nicht allein lassen …«»Nein, machen Sie sich nur keine Umstände.«»Aber … ich möchte, daß Sie wissen, daß es mir großes Vergnügen bereitet, mich mit Ihnen zu unterhalten.«»Ganz meinerseits.«»Wissen Sie, als Sie vor einem Jahr hier eintrafen, sagte man, Sie seien …«»… ein hochmütiger, aufgeblasener Arzt aus der Hauptstadt …«»Ja, mehr oder weniger.Die Leute hier sind mißtrauisch.Bisweilen kommen sie zu merkwürdigen Vorurteilen.«»Wissen Sie, was sie mir über Sie sagten?«»Daß ich reich sei.«»Ja.«»Und schweigsam.«»Ja.Aber auch, daß Sie ein guter Mensch seien.«»Ich hab’s Ihnen ja gesagt: Die Leute hier kommen zu merkwürdigen Vorurteilen.«»Es ist seltsam.Zu denken, daß ich hier bin.Für einen wie mich … ein aufgeblasener Arzt aus der Hauptstadt … Zu denken, daß ich hier alt werde.«»Sie scheinen mir noch ein wenig zu jung, um darüber nachzudenken, wo Sie alt werden wollen, finden Sie nicht?«»Vielleicht haben Sie recht.Aber hier ist man dermaßen weit weg von allem … Ich frage mich, ob es je etwas geben wird, das mich von hier fortbringen kann.«»Denken Sie nicht darüber nach.Falls es so kommt, dann ist es sicher etwas Schönes.Und wenn nicht, wird sich dieses Städtchen glücklich schätzen, Sie zu behalten.«»Es ist eine Ehre, wenn einem der Bürgermeister persönlich so etwas sagt …«»Ach, erinnern Sie mich nicht daran, ich bitte Sie …«»Jetzt muß ich aber wirklich gehen.«»Ja.Aber kommen Sie wieder, wann immer Sie wollen.Es wird mir eine Freude sein.Und auch meine Frau wird darüber sehr glücklich sein.«»Seien Sie dessen versichert.«»Dann gute Nacht, Doktor Savigny.«»Gute Nacht, Herr Deverià.«7.AdamsNach Sonnenuntergang blieb er noch stundenlang wach.Die letzte unschuldige Zeit eines ganzen Lebens.Dann verließ er sein Zimmer, ging lautlos den Korridor hinauf und blieb vor dem letzten Zimmer stehen.Keine Schlüssel in der Pension Almayer.Eine Hand lag auf der Türklinke, die andere trug einen kleinen Kerzenleuchter.Augenblicke wie Nadeln.Die Tür ging geräuschlos auf.Stille und Dunkelheit im Zimmer.Er trat ein, stellte den Kerzenleuchter auf den Schreibtisch und schloß die Tür hinter sich.Das Einrasten des Schlosses schallte durch die Nacht: Im Halbschatten bewegte sich etwas in den Laken.Er ging auf das Bett zu und sagte:»Es ist aus, Savigny.«Ein Satz wie ein Säbelhieb.Savigny fuhr, von einem Schreckensschauer aufgepeitscht, im Bett hoch.Seine Augen spähten in das schwache Licht der wenigen Kerzen, er sah die glänzende Klinge eines Messers und das regungslose Gesicht eines Mannes, das er jahrelang versucht hatte zu vergessen.»Thomas …«Ann Deverià schaute ihn verwirrt an.Sie stützte einen Arm auf, warf einen Blick in den Raum, begriff nicht, suchte erneut das Gesicht ihres Liebhabers, glitt an seine Seite.»Was ist hier los, André?«Er schaute weiter entsetzt vor sich.»Thomas, halt ein, du bist wahnsinnig …«Aber er hielt nicht inne.Er kam ganz nah an das Bett, hob das Messer und stieß es mit Macht nieder, einmal, zweimal, dreimal.Die Laken tränkten sich mit Blut.Ann Deverià hatte nicht einmal die Zeit aufzuschreien.Sie starrte verwundert auf die dunkle Flut, die sich über ihr ausbreitete, und fühlte, wie das Leben mit einer Geschwindigkeit aus ihrem offenen Körper glitt, die ihr nicht einmal Zeit zu einem Gedanken ließ.Mit aufgerissenen Augen sank sie zurück und sah nichts mehr.Savigny bebte.Überall war Blut.Und eine unsinnige Stille [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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