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.Neben dem stinkenden dunklen Schuppenberg verharrte Benjamin und horchte.Nach und nach wurde es wieder still, und nur noch vereinzelt kam ein Knurren aus dem Nebel.Als er eine Zeit lang nichts anderes gehört hatte als seinen eigenen Atem, zögerte Benjamin nicht länger und kletterte, die Pistole in der rechten Hand, an dem Kadaver hoch zum Rand der Grube.Dort spähte er in den dichten Nebel – die Sichtweite betrug nicht mehr als zehn oder fünfzehn Meter.Er versuchte sich zu orientieren: Er war von dort gekommen, was bedeutete, dass sich die jetzt im Nebel verborgene Bibliothek da drüben befand.Wie viele Meter trennten ihn noch von dem Gebäude? Er war losgelaufen, als die Entfernung etwa zweihundert Meter betragen hatte, und er glaubte, ungefähr fünfzig Meter weit gekommen zu sein.Benjamin kletterte ganz aus der Grube, blieb an ihrem Rand stehen, horchte und wünschte sich Radaraugen.Der Nebel war in Bewegung, zog in dichten Schwaden dahin, verhüllte Ruinen und deckte Mauerreste zu.Benjamin orientierte sich erneut, ging geduckt los und hielt die Pistole schussbereit.Mehrmals erschienen Schemen im Nebel, aber wenn ihre Umrisse etwas mehr Substanz bekamen, waren es keine Kreaturen, sondern Säulenstümpfe oder Schutthaufen.Nach etwa zehn Metern hatte Benjamin noch immer keine Falle ausgelöst und wagte zu hoffen.Hinter ihm zischte es.Das Schlangenwesen mit den beiden Köpfen, das er zuvor im Nebel auf der Straße gesehen hatte, ragte dort halb aus dem dichten Grau und starrte ihn aus vier schwarzen Augen an.Zungen tasteten aus den Mäulern und nahmen Witterung auf.Benjamin verzichtete darauf, die Pistole zu heben – er hätte gar nicht gewusst, auf welchen Kopf er zuerst schießen sollte.Er lief los, dorthin, wo er die Bibliothek vermutete, doch als er sicher war, mehr als hundert Meter zurückgelegt zu haben – ohne dass Pfeile herangeflogen waren oder sich eine weitere Grube unter ihm geöffnet hätte –, sah er noch immer kein Gebäude vor sich.Hatte er sich in der Richtung geirrt und, ohne es zu ahnen, eine Abzweigung des Weges genommen, die ihn nicht zur Bibliothek führte, sondern zur Schneise und damit zum Stadtrand, tiefer in den Nebel hinein?Etwas Großes tauchte neben ihm auf, und zuerst vermutete Benjamin eine weitere Säule, doch dann baumelte ein Auge herab, groß wie ein Kürbis, und bevor es den Blick auf ihn fixieren konnte, rannte Benjamin weiter.Vor ihm schälte sich etwas aus den Nebelschwaden, finster wie die Nacht, eine Mauer wie von einer Festung.Wo war das Tor? Benjamin vermutete es auf der rechten Seite, änderte den Kurs und lief weiter, atmete keuchend kalte, neblige Luft.Dort war der Eingang, eine Öffnung in der dunklen Wand, und er stürmte hinein, vorbei an einem mehrarmigen, pelzigen Etwas, das wie ein Tiger fauchte, mit einer Klaue nach ihm schlug und ihn nur knapp verfehlte.Vor ihm erstreckte sich der Innenhof der Bibliothek.Wo lag Louise? Der Nebel war hier nicht ganz so dicht wie im Bereich mit den Ruinen, aber es fiel Benjamin schwer, mehr als nur die Umrisse der Gebäudemauern zu erkennen.Er lief weiter und fragte sich, wie es Louise mit drei Speeren im Rücken bis auf den Innenhof geschafft hatte.Oder gab es auch hier Fallen? Ein lautes Trompeten ertönte irgendwo hinter ihm, wie von einem wütenden Elefanten, und er duckte sich unwillkürlich.Aus dem Augenwinkel sah er eine große, unförmige Gestalt, die auf der anderen Seite des Tors erschien und einen Moment später wieder verschwand.Dann sah er Louise, und einige schnelle Schritte brachten ihn zu ihr.Mit dem Gesicht nach unten lag sie da, die drei schwarzen Stäbe mit den nadeldünnen Widerhaken neben ihr.Geronnenes Blut bildete große Flecken auf dem Stoff, aber Benjamin vermutete, dass sich die Wunden unter der zerrissenen Kleidung inzwischen geschlossen hatten.Louise war bleich und tot, wie die junge Frederika im Hospital, doch etwas – die Stadt – reparierte den an ihrem Körper angerichteten Schaden und bewahrte die Zellen vor dem Verfall, bis der Moment für die Rückkehr des Lebens kam.Benjamin steckte die Pistole ein, ergriff Louises Arme und zog sie zur Treppe.Als er kurz den Blick hob und über den Innenhof sah, bewegte sich etwas im Nebel beim Tor und kam näher.Er verdoppelte seine Anstrengungen und drehte Louise auf den Rücken, hakte dann die Arme unter ihre Achseln und zog sie die Treppe hoch zur breiten Tür.Sie bestand aus zwei gläsernen Flügeln, und ein Riss, der wie ein eingefangener Blitz aussah, durchzog die rechte Seite.Aber während Benjamin ihn noch betrachtete, schrumpfte der Riss, wie in einer rückwärts und langsam abgespielten Filmsequenz.Die Stadt repariert ihre Bewohner und sich selbst, zumindest hier, dachte er und zog Louise ins dunkle Innere des Gebäudes.Die Tür schloss sich wieder, und vielleicht bestand sie aus mehr als nur dünnem Glas, denn sie ließ die Nebenschwaden dahinter nicht passieren.Benjamin zog Louise weiter, bis Dunkelheit sie beide umfing und vor den neugierigen Blicken der aus dem Nebel starrenden Kreaturenaugen verbarg.Erst dann wagte er es, Louise loszulassen, sich neben sie zu setzen, den Rücken an die Wand zu lehnen und erleichtert aufzuatmen.35»Der Nebel ist da, damit niemand die Stadt verlässt«, sagte Benjamin.»Die Fallen sind da, damit niemand die Bibliothek erreicht.Warum?«Er hatte auf seinen Wanderungen durch die Bibliothek damit begonnen, Selbstgespräche zu führen und sich selbst Fragen zu stellen, während er darauf wartete, dass Louise wieder lebendig wurde
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