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.Ich hatte es auch noch nie gewusst.Etwas zog mich vom Rand zurück.Etwas ließ mich Atem holen und meinen Blick heben.und ich schaute über das Watt.Die Luft war still und das Meer unnatürlich ruhig.Nichts regte sich.Keine Vögel, kein Wind, keine Wellen.Der Moment ist ewig.Lucas war an den Überresten des alten Holzboots stehen geblieben und warf einen Blick über den Schlick in Richtung Wald.Er stand von mir abgewandt und stützte eine Hand auf den schwärzlichen Balken, der aus dem Schlick emporragte.Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, aber das musste ich auch gar nicht.Seine Züge waren fest in meinem Hirn eingeprägt – seine blassblauen Augen, sein trauriges Lächeln, seine flüchtige Gegenwart.Die Wolken teilten sich und eine Lichtsäule brach aus dem Himmel und hüllte ihn in Gold.Ich sah seine Haut, seine Kleidung, sein Haar, seinen Körper.ich sah, wie er einen morschen Holzsplitter von dem Bootswrack löste und ihn zwischen den Fingern zerrieb.Ich sah, wie er am Wrack vorbei hinüber in die Seele des Schlicks blickte.Und dann trat er mit einer einfachen Bewegung aus dem Sonnenstrahl und versank in den luftlosen Tiefen.DreiundzwanzigDad hatte Recht, als er sagte, ich würde mich, wenn ich dies aufschriebe, nicht besser fühlen – genauso war es.Es hat mir ein paar Dinge klar gemacht.Es hat mich ein bisschen was über mich selbst gelehrt.Es hat mir gezeigt, was ich bin oder was ich war oder was ich glaubte zu sein.Und ja, es hat der Traurigkeit ein bisschen Leben gegönnt.Aber ich glaube nicht, dass es mir geholfen hat, irgendwas zu verstehen.Es hat keine Fragen beantwortet.Es hat nichts verändert.Aber zumindest hab ich es getan – ich hab mir eine Geschichte geweint.Und das ist doch was, vermute ich mal.Jetzt, während ich hier an meinem Schreibtisch sitze und in die Gesichter schaue, die ich kenne, frage ich mich, wie sie endet.Als Lucas aus dem Sonnenstrahl trat und im Schlamm versank, als ich sah, wie der strohblonde Wuschelkopf in den schimmernden Schlick gesogen wurde.das war das Ende des Moments.Er war weg.Es war zu Ende.Vorbei.Erledigt.Ich weiß es heute und ich wusste es damals.Auch als sich der Schlamm setzte und keine Blasen mehr aufstiegen, wusste ich es.Auch als ich weinte und schrie und mich in den Schlamm warf, wusste ich es.Auch als Dad und Dominic reinsprangen, mich herauszogen und mir den Schlamm aus dem Mund kratzten, wusste ich es.Es war vorbei.Ich wusste es tief in meinem Innern.Es war mein Ende.Aber alles andere ging weiter.Die Erde drehte sich weiter.Ich habe keine bewusste Erinnerung an die unmittelbaren Nachwehen.Vage weiß ich noch, dass ich nach Hause zurückgetragen wurde und dabei um mich trat und wimmerte, dass ich zum Himmel schrie, dass ich Dad schlug, ihn verfluchte, die Welt verfluchte.und ich erinnere mich noch an das Gefühl, wie der kalte Regen an meinem Gesicht herunterströmte, sich mit dem Schlamm und den Tränen mischte und meinen Mund und die Kehle mit dem körnigen Geschmack von Salz und Verwesung füllte.Ja.ich erinnere mich.Ich kann ihn schmecken – den Geschmack uralten schwärzlichen Schlicks.Aber das ist auch alles, was ich mir mit wirklicher Klarheit vergegenwärtigen kann.Der Rest ist nur ein verschwommener Nebel.Dad muss mich den ganzen Weg zurück getragen haben; über den Strand, über die schmale Bucht, den Weg hinauf, durch den Hof und ins Haus.Er muss mir aus den vom Schlick voll gesogenen Kleidern geholfen, mich gewaschen und abgetrocknet, mich ins Bett gebracht und beruhigt und dann den Arzt gerufen haben.aber ich weiß nichts davon.Ich war nicht anwesend.Ich war körperlos, geistlos, verloren in der Hölle.Mein Bewusstsein war in tausend Stücke zerrissen worden.Für die nächsten paar Tage verschwand die Außenwelt und ich lebte in einem Traum aus verhangenem Licht und murmelnden Stimmen.Ich schlief ohne zu schlafen und schwebte in einem merkwürdigen Zustand zwischen Bewusstsein und Bewusstlosigkeit.Seltsame Dinge geschahen.Die Abmessungen meines Zimmers lösten sich auf.Die Wände, die Fenster, die Decke, der Fußboden, alles schimmerte wie ein Traum.Aber es war kein Traum.Es war eine fiebrige Wahrnehmung, für die tausend Kilometer dasselbe waren wie ein Zentimeter.Die Welt wurde elastisch.Winkel und Flächen gewannen außerirdische Qualitäten und kehrten ihr Inneres nach außen.Farben entstanden und verbanden sich, dann änderten sie ihre Form im konturlosen Licht.Ich sah verschiedene Töne von Blutrot und schwebendem Grün, dazu endlose Schwarztöne, jagende weiße Blitze, Suchscheinwerfer, Sterne und brennende Sonnen.Ich sah abnorme Formen, Formen und Farben, die noch nie jemand gesehen hat.Ich sah Dinge als Drachen in einem Geisterwind.Meine inneren Sinne waren verwirrt.Das, was mir sagen sollte, wo ich war und wer ich war, funktionierte nicht mehr.Meine Glieder gehörten jemand anderem, einem langarmigen Riesen oder einem gelähmten Idioten, der seine riesigen Hände gen Himmel streckte.Ich war nicht ich.Ich war ein kleines Mädchen, das auf einer einsamen Insel ausgesetzt wurde.Ich war ein blutüberströmtes Mädchen, das in einem Steinbunker lag.Ich war ein Junge, ein Angler, der sich blind durch den Untergrundschlamm schob, auf der Suche nach Austern.Mir war heiß und kalt, ich war müde und krank.Mir war übel.Mein Körper kämpfte gegen mich an.Er tat nicht, was er sollte.Manchmal konnte ich mich kein Stück bewegen, selbst wenn mein Leben davon abgehangen hätte.Dann wieder konnte ich nicht aufhören mich zu bewegen; mich zu verrenken, zu drehen, zu kriechen, zu zucken, mich in schweißnasse Laken zu wickeln und zu weinen, weinen, weinen.Ich weiß nicht, was es war.Es ergab keinen Sinn.So ging es zwei, drei, vielleicht vier Tage und dann kam ich allmählich wieder zu mir.Langsam wurde ich mir wieder meiner Umgebung bewusst.Ich erkannte die Leute wieder, die hereinkamen und nach mir schauten.Dad, der Arzt, Lenny, Dominic.Simon.Bill und Rita
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