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.»Gut«, aber sie spricht noch nicht.Sie blickt auf den Boden, er spürt, wie sie den Kopf hebt, und sie fragt plötz- lich: »Wie alt bist du?«»Im Februar würde ich vierundzwanzig«, sagt er leise.»Im Februar würdest du vierundzwanzig.Du würdest … wirst nicht?«Er sieht sie erstaunt an.Wie feine Ohren sie hat! Und plötzlich weiß er, daß er es ihr sagen wird, ihr allein wird er es sagen.Sie ist der einzige Mensch, der alles erfahren soll, daß er sterben wird, morgen früh, kurz vor sechs, oder kurz nach sechs in …»Ach«, sagt er, »ich rede nur so.Welcher Ort«, fragt er plötzlich, »liegt vierzig Kilometer hinter Lemberg auf … auf Czernowitz zu?« …Sie ist immer mehr erstaunt.»Stryj«, sagt sie.Stryj? Welch seltsamer Name, denkt Andreas, ich muß ihn auf der Karte übersehen haben.Um Gottes willen, ich muß noch für die Juden von Stryj beten.Hoffentlich sind noch Juden in Stryj … Stryj … das wird es also sein, er wird vor Stryj sterben … nicht einmal Stanislau, nicht einmal Kolomea und lange, lange nicht Czernowitz.Stryj! Das ist es! Vielleicht ist es gar nicht auf der Karte drauf, die Willi gehört hat …»Vierundzwanzig wirst du im Februar«, sagt Olina,»komisch, ich auch.« Er sieht sie an.Sie lächelt.»Ichauch«, sagt sie, »ich bin am zwölften Februar neunzehn- hundertundzwanzig geboren.«Sie blicken sich lange an, sehr lange, und ihre Augen versinken ineinander, und dann beugt Olina sich zu ihm, und da der Abstand zwischen den Sesseln zu groß ist, steht sie auf, kommt auf ihn zu und will ihn umarmen … aber er wehrt ab.»Nein«, sagt er still, »nicht das, sei nicht böse, später … ich erkläre es dir … ich … ich bin am fünfzehn- ten Februar geboren …«Sie raucht wieder, es ist gut, daß sie nicht gekränkt ist.Sie lächelt.Sie denkt, er hat ja die ganze Nacht das Zim- mer gemietet und mich.Und es ist erst sechs, noch nicht ganz sechs …»Du wolltest mir doch erzählen«, sagt Andreas.»Ja«, sagt sie, »wir sind beide gleich alt, das ist schön.Zwei Tage bin ich älter als du.Ich bin sicher deine Schwe- ster …« Sie lacht.»Vielleicht bin ich wirklich deine Schwester.«»Erzähl doch bitte.«»Ja«, sagt sie, »ich erzähle ja.In Warschau bin ich aufs Konservatorium gegangen.Du wolltest doch von meinen Studien hören, nicht wahr?«»Ja!«»Kennst du Warschau?«»Nein.«»Gut.Also.Warschau ist eine große Stadt, eine schöne Stadt, und das Konservatorium war in einem Haus wie dieses hier.Nur der Garten war größer, viel größer.In den Pausen konnten wir in diesem schönen großen Garten Spazierengehen und poussieren.Sie sagten, ich sei sehr begabt.Ich ging in die Klavierklasse.Ich hätte lieber erst nur Cembalo gespielt, aber das lehrte keiner, und so mußteich in die Klavierklasse gehen.Als Aufnahmeprüfung mußte ich eine ganz kleine, einfache Beethoven-Sonate spielen.Das war gefährlich.Diese einfachen kleinen Sa- chen verschmiert man so leicht, oder man macht sie zu pa- thetisch.Das ist sehr schwer, diese einfachen Sachen zu spielen.Es war Beethoven, weißt du, Beethoven war es ja, aber ein sehr früher, fast noch ganz klassischer, fast noch Haydn.Ein ganz raffiniertes Stück für eine Aufnahmeprü- fung, verstehst du?«»Ja«, sagt Andreas, und er spürt, daß er bald weinen wird.»Gut, ich bestand mit Sehr gut.Ich lernte und musizierte bis … na … bis der Krieg kam.Klar, das war Herbst neununddreißig, zwei Jahre, da hab ich viel gelernt und viel poussiert.Ich hab immer gern geküßt und alles, weißt du? Ich konnte schon ganz gut Liszt spielen, und Tschai- kowskij.Aber Bach habe ich nie so richtig gekonnt.Ich hätte gern Bach gespielt.Und Chopin konnte ich auch ganz gut.Gut.Dann kam der Krieg … ach, da war ein Garten hinter dem Konservatorium, so ein wunderbarer Garten, da wa- ren Bänke und Lauben, und manchmal hatten wir Feste, da wurde musiziert und getanzt … einmal ein Mozartfest … ein wunderbares Mozartfest.Mozart konnte ich auch schon ganz gut spielen.Nun, es kam eben der Krieg!«Sie bricht ganz plötzlich ab, und Andreas blickt sie fra- gend an.Sie sieht böse aus.Die Haare sträuben sich über dieser Fragonardstirn.»Mein Gott«, sagt sie ärgerlich, »mach mit mir, was die anderen auch machen.Dieser Quatsch!«»Nein«, sagt Andreas, »du mußt erzählen.«»Das«, sagt sie mit gerunzelter Stirn, »das kannst dunicht bezahlen.«»Doch«, sagt er, »ich werde mit gleicher Münze bezah- len.Ich werde dir auch erzählen.Alles …«Aber sie schweigt.Sie starrt auf den Boden und schweigt.Er blickt sie von der Seite an und denkt: sie sieht doch wie eine Dirne aus.Die Lust sitzt in jeder Faser die- ses hübschen Gesichtes, und sie ist keine unschuldige Schäferin, eine sehr verworfene Schäferin.Es ist wahnsin- nig schmerzlich zu sehen, daß sie doch eine Hure ist.Der Traum war sehr schön.Sie könnte irgendwo im Gare Montparnasse stehen.Und es ist gut, daß der Schmerz wieder da ist.Eine Zeitlang war er ganz weg.Es war schön, ihre sanfte Stimme zu hören, die vom Konservato- rium erzählte …»Es ist langweilig«, sagt sie plötzlich.Sie sagt das sehr gleichgültig.»Wir wollen Wein trinken«, sagt Andreas.Sie steht auf, geht geschäftsmäßig zum Schrank und fragt gleichgültig: »Was möchtest du trinken?« Sie blickt in den Schrank und zählt auf: »Da ist roter und weißer, Moselwein, glaub ich.«»Gut«, sagt er, »trinken wir Mosel.«Sie bringt die Flasche, schiebt einen kleinen Tisch heran, reicht ihm den Korkenzieher und setzt Gläser auf, wäh- rend er die Flasche öffnet.Er blickt sie dabei an, dann gießt er ein, sie stoßen an, und er lächelt in ihr böses Ge- sicht.»Wir trinken auf unseren Jahrgang«, sagt er, »neun- zehnhundertundzwanzig.«Sie lächelt gegen ihren Willen.»Das ist gut, aber ich er- zähle nichts mehr.«»Soll ich erzählen?«»Nein«, sagt sie, »ihr könnt nur vom Krieg erzählen.Das höre ich schon zwei Jahre.Immer Krieg.Wenn ihr es hinter euch habt … dann fangt ihr an vom Krieg zu erzäh- len.Es ist langweilig.«»Was möchtest du denn?«»Ich möchte dich verführen, du bist unschuldig, nicht wahr?«»Ja«, sagt Andreas und erschrickt, so plötzlich springt sie auf.»Ich habe es ja gewußt«, schreit sie, »ich habe es ja ge- wußt.« Er sieht ihr erregtes, rotes Gesicht, ihre Augen, die ihn anblitzen, und er denkt: es ist merkwürdig, noch keine Frau, die ich je gesehen habe, habe ich so wenig begehrt wie diese, die schön ist und die ich sofort haben könnte.Ach, manchmal ist es durch mich gezuckt, ohne daß ich es wußte und wollte, daß es wirklich schön ist, eine Frau zu besitzen.Aber noch keine habe ich so wenig begehrt wie diese.Ich werde es ihr erzählen, alles werde ich ihr erzäh- len …»Olina«, sagt er und deutet auf das Klavier, »Olina, spiel die kleine Beethoven-Sonate.«»Versprich mir, daß du mich … daß du mich lieben wirst.«»Nein«, sagt er ruhig, »setz dich hierher.« Er zwingt sie in den Sessel, und sie blickt ihn stumm an.»Paß auf«, sagt er, »ich werde dir jetzt erzählen.«Er blickt nach draußen und sieht, daß die Sonne unterge- gangen ist und daß nur noch ein kleiner Rest von Licht über diesen Gärten liegt.Es wird nicht mehr lange dauern, und es wird kein Sonnenlicht mehr draußen in den Gärten sein, und es wird nie mehr, nie mehr die Sonne scheinen, keinen einzigen Strahl der Sonne wird er mehr sehen [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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