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.In einem rotsamtenen Gewand näherte sie sich, zertrat achtlos die Blumen, die schon aus den Haaren einiger Gefährtinnen gefallen waren, und hielt den beiden Freunden mit hochmütiger Gebärde eine silberne Platte hin.Stolz auf ihre Schönheit, stolz auf ihre Laster vielleicht, zeigte sie einen weißen Arm, der sich leuchtend vom Samt des Kleides abhob.Sie stand da wie die Königin der Lust, wie ein Bild menschlicher Sinnesfreude, jener Freude, welche die von drei Generationen angesammelten Schätze verschleudert, über Leichnamen lacht, Vorfahren höhnt, Perlen und Throne in nichts auflöst, Jünglinge in Greise und Greise häufig in Jünglinge verwandelt; jener Freude, die einzig solch Riesen gestattet ist, die der Macht überdrüssig sind, die im Denken erprobt sind oder für die der Krieg zum Kinderspiel geworden ist.»Wie heißt du?« fragte Raphael sie.»Aquilina.«»Oh, oh!« rief Emile, »du kommst aus dem ›Geretteten Venedig‹!«[Fußnote:.aus dem »Geretteten Venedig«: Aquilina ist eine Gestalt aus der 1682 erschienenen Tragödie »Das gerettete Venedig« des englischen Dramatikers Thomas Otway (1652-1685)]»Ja«, erwiderte sie.»Wie sich die Päpste neue Namen geben, wenn sie sich über die Menschen erheben, habe ich einen anderen angenommen, als ich mich über alle Frauen erhob.«»Hast du denn, wie deine Schutzpatronin, einen edlena name="page77" title="Majowo/TS" id="page77"> und schrecklichen Verschwörer, der dich liebt und für dich zu sterben bereit ist?« fragte Emile lebhaft, den dieser Anschein von Poesie wieder aufrüttelte.»Ich hatte ihn«, antwortete sie; »aber die Guillotine ist meine Rivalin gewesen.Darum trage ich auch immer etwas Rotes in meinem Putz, damit meine Freude nie zu weit geht.«»Oh, wenn Sie sie die Geschichte der vier jungen Männer von La Rochelle[Fußnote:.die Geschichte der vier jungen Männer von La Rochelle: Der Feldwebel Bories (1795-1822) und seine Kameraden Goubin, Pommier und Goupillon wurden als Mitglieder einer Carbonarigruppe verraten, die drei ersteren 1822 in La Rochelle zum Tode verurteilt und hingerichtet] erzählen lassen, findet sie kein Ende.– Sei nur still, Aquilina! Haben nicht alle Frauen einen Geliebten zu beweinen? Aber nicht alle hatten das Glück wie du, ihn an das Schafott zu verlieren.Wahrhaftig! Ich möchte meinen weit lieber in einer Grube in Clamart[Fußnote: Clamart: Pariser Friedhof, 1833 stillgelegt] wissen, als in dem Bett einer anderen.«Diese Sätze wurden von einer sanften, melodischen Stimme gesprochen, die dem unschuldigsten, hübschesten, niedlichsten kleinen Geschöpf gehörte, das je unter dem Zauberstab einer Fee aus einem Zauberei geschlüpft ist.Sie war lautlos herangekommen und zeigte ein feines Gesicht, eine zarte Gestalt, blaue Augen von entzückender Sittsamkeit, eine frische, reine Stirn.Eine kindliche Najade, die aus ihrer Quelle taucht, ist nicht schüchterner, weißer, unschuldiger als dieses junge Mädchen, das sechzehn Jahre alt, von Leid und von Liebe nichts zu wissen, von den Stürmen des Lebens verschont zu sein und gerade eben aus einer Kirche zu kommen schien, wo sie die Engel angefleht hatte, sie vor der Zeit zu sich in den Himmel zu rufen.Nur in Paris findet man diese Geschöpfe mit dem unschuldsvollen Antlitz, die unter einer Stirn, so hold und lieblich wie ein Gänseblümchen, die tiefste Verderbtheit, die raffiniertesten Laster verbergen.Von den himmlischen Verheißungen in den lieblichen Zügen des jungen Mädchens anfänglich getäuscht, nahmen Emile und Raphael den Kaffee, den sie ihnen in die von Aquilina gereichten Tassen einschenkte, und begannen sie auszufragen.In den Augen der beiden Dichter vervollständigte sie gleichsam durch eine unheimliche Allegorie das Bild einer gewissen Seite des menschlichen Lebens, indem sie dem wilden, leidenschaftlichen Ausdruck ihrer imposanten Gefährtin diese kalte, wollüstige, grausame Verdorbenheit gegenüberstellte, die leichtfertig genug ist, ein Verbrechen zu begehen, stark genug, sich lachend darüber hinwegzusetzen; ein Dämon ohne Herz, der reiche zärtliche Seelen dafür bestraft, daß sie Empfindungen haben, deren er unfähig ist, der immer eine Liebesgrimasse zu verkaufen hat, Tränen für den Leichenzug seines Opfers und Jubel, wenn er am Abend dessen Testament liest.Ein Dichter hätte die schöne Aquilina bewundern können; aber die rührende Euphrasie müßte die ganze Welt fliehen: die eine war die Seele des Lasters, die andere das Laster ohne Seele.»Ich möchte wohl wissen«, fragte Emile das hübsche Geschöpf, »ob du bisweilen an die Zukunft denkst.«»Die Zukunft?« erwiderte sie lachend.»Was nennen Sie die Zukunft? Warum soll ich an etwas denken, was noch nicht ist? Ich blicke nie zurück und nie voraus.Ist es nicht schon zuviel, wenn ich mich mit einem ganzen Tag beschäftige? Im übrigen kennen wir die Zukunft.Sie ist das Spital.«»Wie kannst du das Spital jetzt schon voraussehen und nicht vermeiden wollen, hineinzukommen?« rief Raphael.»Was hat das Spital denn so Furchtbares?« fragte die schreckliche Aquilina.»Wenn wir weder Mütter noch Gattinnen sind, wenn das Alter uns schwarze Strümpfe auf die Beine und Runzeln über unsere Stirnen zieht, wenn es alles, was an uns Weib ist, welk macht und die Freude in den Blicken unserer Freunde auslöscht, was können wir dann noch weiter wollen? Von all unserer jetzigen Schönheit seht ihr nur mehr ein Stück Dreck in uns, das auf zwei Beinen einherschlottert, kalt, dürr und entstellt ist und im Gehen raschelt wie welkes Laub.Der schönste Putz wird uns zu Lumpen, das Ambra, das unser Boudoir durchduftete, riecht nach Moder und Verwesung; und wenn in diesem Kot ein Herz steckt, so sprecht ihr alle ihm Hohn und gestattet uns nicht einmal die Erinnerung
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