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.Werner Stahmer und sein Komplize Georg stapften nebeneinander her.Schweigend.Verbissen.Zäh.Erschöpft …Jeder Schritt stach in die verwundete Hand Stahmers.Bei jedem Tritt bohrte sich ein stumpfes Messer durch das Gelenk, wühlte sich den Arm hinauf, drehte sich in der Achselhöhle, schlängelte sich das Rückgrat hinunter und wieder herauf.Wieviel Schritte haben hundert Meter? Wie lang ist ein Kilometer? Wieviel Kilometer sind es bis zur Unendlichkeit, hinter der die deutsche Grenze liegt?Wieder standen sie vor einer Kreuzung.Die Taschenlampe flammte auf.Kilometer-Ziffern glitzerten höhnisch.Die Straße vor ihnen war vom Schnee geräumt.»Jetzt haben wir es leichter«, sagte Georg.»Nein«, sagte Stahmer.Seine Stimme knirschte wie der Schnee unter dem Schuh.»Querfeldein.«»Idiotisch«, brummte Georg.»Bequem gehen heißt bequem verhaftet werden«, murmelte der Agent.Er humpelte los.Er achtete nicht darauf, ob ihm der andere folgte.Er watete vorwärts durch die großen Schneehaufen an den Wegrändern, mit einem weiten Satz über den ersten Graben.Dann breitete sich vor ihnen das Feld wie ein weißes Totentuch.Unter einem grauen Stahlhimmel blähte es sich zu Hügeln und zu Senken.Bergauf.Bergab.Der Schnee war frosthart und knietief.Er schob sich ihnen mit eisiger Hand die Hose hinauf.Stahmer stürzte zum ersten Male.Sein Aufschrei erstickte im Schneehaufen.Georg riß ihn hoch.»Scheiße«, sagte er.Weiter durch die endlose Landschaft.Sie gingen, als zögen sie einen Pflug.Die Sehnen in den Kniekehlen wurden zu Gummibändern.In die Halsmuskeln bohrten sich Reißnägel.Stahmer spürte den Schmerz wie durch glühende Watte.Er zählte seine Schritte nach dem hämmernden Puls.Einundzwanzig, zweiundzwanzig … Wie der Abzug einer Handgranate.Gleich mußte sie explodieren.Der Agent zählte rückwärts.Er bemerkte kaum, wie sich das nächtliche Schneefeld bläulich verfärbte.Der Schatten eines Wäldchens wuchs aus dem Morgendunst.Sie taumelten weiter.Durch den dämmernden Tag.Wie Tiere zogen sie sich vor jedem Geräusch, vor jedem Umriß ins Dickicht zurück.Die Bäume schüttelten Schnee in ihre Nacken; die Sträucher schnitten ihnen Striemen ins Gesicht.Sie aßen Schnee und Schokolade.Jeder Wagen, der ihnen begegnete, wurde zum Abenteuer, jeder Mensch zum Jäger, jedes Haus zum Gefängnis.Ein ganzes Land suchte sie.Wegen Mordes.Verübt an dem deutschen Emigranten Rudolf Formis.Das Gewissen wollte die Täter der Weltöffentlichkeit präsentieren.Am Nachmittag waren sie fertig.Sie schwankten nur noch auf der Stelle.Dann sahen sie die Holzhütte.Verschalte Läden.Sie horchten.Hinein.Es roch nach muffigem Heu.In der Ecke standen Arbeitsgeräte.Das Holzhaus mußte zu einem Forstamt gehören.Die beiden ließen sich hinplumpsen.Georg schlief sofort ein.Stahmer lag reglos.In seiner Hand kochte flüssiges Blei.Der Agent schüttelte die wirren Bilder ab.Er boxte den Mörder, den er heil über die Grenze zu bringen hatte, in die Seite.»Los«, sagte er, »stehen Sie auf …«Georg grunzte benommen.Schläfrig.»Sie organisieren Seife, Rasierzeug, zwei frische Hemden, Proviant.«»Allein?« fragte Georg.»Ja«, versetzte Stahmer hart.»Wo?«»Im nächsten Dorf.«Stahmer beobachtete, wie der Kerl sich mißmutig aus der Hütte schob.Hoffentlich schnappen sie ihn, dachte er.Dann fuhr er erschrocken hoch.Nein, sie durften es nicht.Wenn der Mord schon verübt worden war, dann sollte ihn wenigstens niemand beweisen können.Stahmer sah auf die Uhr.Zwecklos.Er horchte.Nichts.Er ließ sich wieder zurückfallen.Kroch unter das Heu.Deckte sich schlampig zu.Schlief ein.Eine Stunde.Gefahr weckte ihn.Bevor Stahmer noch etwas hören konnte, war er hellwach.Schritte vor der Hütte.Georg, dachte er erleichtert.Als die Tür aufging, wußte er, daß er sich geirrt hatte.Zwei Männer.Sie unterhielten sich halblaut.Sie patschten sich den Schnee von den dicken Segeltuchhandschuhen.Ein Streichholz zischte.Einer stand so dicht bei Stahmer, daß der Agent den Druck seines Körpers spürte.Die Pistole, überlegte er.In der Tasche.Aufspringen! Schießen! Noch zwei Morde? Nein! Stahmer atmete so knapp, daß der Brustkorb drückte.Wenn Georg jetzt kommt, dann …Da waren sie wieder, die Zischlaute.Wieviel Konsonanten hat ein Satz? überlegte Stahmer.Dann hörte er die Gefahr.Heu wurde gewendet.Die Gabel fuhr in den Stapel.Fest.Ruckartig.Systematisch.Stahmer schloß die Augen.Wieder zischte die Gabel durch die Luft.Ganz nahe.Der nächste Stich mußte in seinen Leib rasen.Er wollte aufspringen.Er war wie gelähmt … Die Gedanken klebten im Kopf.Ein Stich tobte in der Hand.Schon? überlegte der Agent.»Zschsch«, sauste die Gabel wieder durch die Luft.Knapp neben ihm.25Ein Mord machte Politik.Weltpolitik.Das Bild des toten Rudolf Formis war auf den Frontseiten der Auslandszeitungen.Die freie Welt folgte den Spuren des Verbrechens.Das Propagandaministerium dementierte wütend.Notenwechsel zwischen Prag und Berlin.Das alles war nur ein Vorspiel, solange zwei Männer untergetaucht blieben …Man suchte sie hüben wie drüben.Fieberhaft.Ergebnislos.Mit hundert Armen griff die tschechische Polizei ins Leere.In Prag fürchtete man, daß Werner Stahmer und sein Komplize entkommen waren.In Berlin war man überzeugt, daß sie verhaftet wurden.Der Rest ließ sich an den Fingern abzählen: Vorführung in einer internationalen Pressekonferenz.Geständnis auf Tonband.Gesichter im Blitzlicht.Dicke Schlagzeilen, rot wie Blut.Eine Welle gegen das Dritte Reich, das sie zu dieser Zeit noch auf ›achtbar‹ maskierte.Selbst im Ausland hegte man mitunter törichte Hoffnungen: Vielleicht ist dieser Kerl aus Braunau nicht so übel, wie er aussieht … Vielleicht kann man mit ihm auskommen … Hitler brauchte die Meinung, um in Ruhe aufzurüsten.Jetzt aber könnte die Klärung des Falles Formis schlagartig beweisen, was das Dritte Reich ist.Was in der Prinz-Albrecht-Straße vor sich geht [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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