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.Zwanzig Minuten später war sie wieder auf der anderen Seite des Zauns.Bittere Erinnerungen.Sie ging weiter die Straße hinunter und überlegte, ob sie wieder in eine der steilen Seitenstraßen zu ihrer Rechten schleichen sollte, so wie gestern.Dort gab es Häuser mit Gärten voller Obstbäume, Tomaten, Paprika und Kürbis.Sie wollte nichts stehlen.Sie wußte, daß man das nicht tat.Und sie hatte auch noch nie im Leben etwas gestohlen.Bis gestern.In der Enge der Schlucht hallten die Stimmen wie in einem Schwimmbad wider, schrill vor Aufregung, beinahe quietschend: »Hee, na bitte - ich sag's ja?« »Wieso - hast du was gefunden?« »Scheiße, Mann, was glaubst du, was das hier ist - eine bescheuerte Feuerstelle - und Scheiße, da liegt auch 'ne Decke!«Cándido duckte sich hinter den Felsen, wagte nicht zu atmen und zitterte so unkontrolliert, als hätte man ihn urplötzlich in Eiswasser getaucht, und dabei konnte er immer nur an América denken.Dreimal war er bislang aufgegriffen worden - einmal in L.A., einmal in Arizona, und dann mit América, in Tijuana, gleich hinter dem Grenzzaun -, und die Angst davor raubte ihm den Atem und drehte ihm gleich noch einmal den Magen um.Seinetwegen machte er sich keine Sorgen, sondern um sie.Er würde es überstehen.Eine ärgerliche Sache, sicherlich, die Busfahrt zur Grenze, und sein karger Besitz wäre vom Winde verweht - aber wie sollte er je zu seiner Frau zurückfinden? Zweihundertfünfzig Kilometer und kein Geld, keinen Cent.Vielleicht wurde er auch verprügelt.Die gabachos konnten brutal sein - große Kerle mit dünnen blonden Schnurrbärten und mit Haß in den Augen -, aber normalerweise langweilten sie sich nur und erledigten ihren Dienst.Prügel konnte er aushalten - sogar jetzt, sogar mit dem wunden Gesicht und dem kaputten Arm und dem Dünnpfiff in den Därmen -, aber um América zitterte er.Was würde mit ihr geschehen? Wie sollte er sie je wiederfinden? Wenn sie sie schon aufgegriffen hatten - bei der Arbeitsvermittlung oder auf dem Rückweg von dort -, dann saß sie vielleicht bereits in einem Bus.Und schlimmer noch: wenn sie sie nicht gefaßt hatten und sie zum Lager zurückkehrte, aber ihn nicht antraf, was dann? Sie würde glauben, er hätte sie im Stich gelassen, sich aus der Verantwortung gestohlen wie ein aufgescheuchter Hahn, und welche Liebe hielt so etwas aus? Sie hätten einen Notfallplan vereinbaren sollen, eine Verabredung irgendwo in Tijuana, ein geheimes Zeichen.aber das hatten sie nicht getan.Er horchte auf die Stimmen und preßte die Zähne zusammen.»He, Alter, sieh dir das hier mal an.«»Was?«»Was ist das denn für eine Scheiße?«Aber Moment mal - das waren nicht die Stimmen von Einwanderungsbeamten, von Polizisten, von Erwachsenen.nein, da lag etwas in ihrem Tonfall, ein harter, ruppiger Klang der Worte, als würden sie ersticken und nach Luft schnappen, etwas Pubertäres.Cándido schob sich behutsam in eine sitzende Haltung, zog sich die Hose wieder hoch und kroch auf Händen und Knien an eine Stelle, von der er unbemerkt zwischen den Felsen hindurchspähen konnte.Was er sah, ließ ihn wieder Luft schöpfen.Zwei Gestalten ohne Uniform.Übergroße Shorts, Basketballschuhe, schwarze weite T-Shirts, bleiche Beine und Arme, die in der Sonne blitzten, während sich die Burschen über seine Sachen beugten, sie hoch über den Kopf schwenkten und dann, ein Stück nach dem anderen, in den Bach schleuderten.Zuerst die Decke, dann den Grill, den er aus einem weggeworfenen Kühlschrank herausgenommen hatte, dann seinen Rucksack mit Kamm, Zahnbürste und ein bißchen Kleidung zum Wechseln darin, und schließlich auch Américas Sachen.»Scheiße, Mann, da ist 'ne Braut dabei«, sagte der größere der beiden und hielt Américas Alltagskleid hoch, blauer Baumwollstoff, so oft gewaschen, daß er schon fast weiß war.In diesem Augenblick bestätigte sich für Cándido, was sein Ohr schon geahnt hatte; das waren keine Männer, das waren Jungs, übergroße Jungs.Der mit dem Kleid in der Hand stand direkt vor ihm, ragte hoch auf, mindestens eins fünfundachtzig, schlaksige Arme und Beine, kahlrasiert bis über die Ohren und mit langem gabacho-farbenem Haar weiter oben - rothaarig, warum mußten sie immer rothaarig sein?»Scheißbohnenfresser.Zerreiß es, Mann.Mach es kaputt.« Der andere war kleiner, dafür aber breiter in den Schultern und um die Brust, und er hatte diese glasigklaren Katzenaugen, die so viele Gringos von ihren Müttern erbten, diesen Frauen aus Schweden und Holland oder so.Sein Gesicht war schmal und bösartig, das Gesicht eines Insekts unter der Lupe - nichtssagend von weitem, tödlich aus der Nähe.Der größere der beiden zerriß das Kleid, knüllte die Hälften zusammen und warf sie dem anderen zu, und dann sprangen sie johlend im Bachbett auf und ab wie Affen, die gerade von den Bäumen gehüpft waren.Bevor sie wieder abzogen, packten sie sogar die schweren Steine, aus denen Cándido eine Feuerstelle gebaut hatte, und wuchteten sie ebenfalls in den Bach.Cándido wartete fast eine halbe Stunde, bevor er sich herauswagte.Ihr obszönes Gekreische war noch eine Weile lang von den Wänden der Schlucht zurückgeworfen worden, bis es sich mit dem fernen Rauschen des Verkehrs vermischt hatte und allmählich verklungen war.Wieder drehte sich ihm der Magen um, und er mußte sich vor Schmerzen niederkauern, aber der Krampf ging vorbei.Er stand auf und watete in den Bach hinein, um ein paar von ihren Sachen zu retten, und da erst bemerkte er das Abschiedsgeschenk der beiden, die auf die Felsen gesprühte Botschaft, von der die Farbe wie Blut herunterrann.Es waren ungelenke Buchstaben und die Worte Englisch, doch ihre Bedeutung war nicht mißzuverstehen:Tod allen Bohnenfressern5Delaney konnte nicht lange schlecht gelaunt sein, nicht draußen im Freien, wo die Nacht sich an ihn schmiegte, die Zikaden dröhnten und der laue Wind vom Pazifik die Hügel heraufblies, um die Hitze des Tages zu vertreiben.Sogar Sterne waren zu sehen, hier und da kämpften sich ein paar Pünktchen durch den Dunst des Lichtersmogs, der im Osten und im Süden die Ränder der Nacht gelb verfärbte, als wäre ein ganzes Stück der Welt ranzig geworden.Im Norden und Osten lag das San Fernando Valley, eine einzige endlose Ebene aus parallelen Boulevards, Einfamilienhäusern, Mini-Einkaufszentren und Straßenlampen, und im Süden erstreckte sich, ad infinitum, der Rest von Los Angeles.In Arroyo Blanco gab es keine Straßenlampen - das war eine der Annehmlichkeiten, ein Anflug von Landleben, das Gefühl, daß man irgendwie fern der Stadt und den Bergen verbunden war -, und Delaney vermißte sie nie.Auch eine Taschenlampe trug er nicht bei sich.Er mochte es, durch die dunklen Straßen zu gehen; seine Augen gewöhnten sich an die Schatten und Schemen der Welt, wie sie wirklich war, und er genoß, wie sich ohne Kunstlicht und das allgegenwärtige Brausen des städtischen Lärms die Nacht anfühlte.Als ihn der Spaziergang beruhigt hatte, konnte er ein plötzliches Herzklopfen nicht unterdrücken, als er beim Haus der Dagolians vorbeikam - gedankenlose Dummköpfe waren das -, und dann bog er in den Piñon Drive ein, und die Last in seiner Anoraktasche wurde ihm wieder bewußt.Sein Haus lag am Ende des Piñon Drive, einer Sackgasse, die die äußerste Grenze darstellte, bis zu der die Vorstadt vorgedrungen war, und das Sirren der Zikaden erschien hier lauter, die Dunkelheit intensiver.Wie um dies zu bestätigen, stieß in diesem Moment eine große Sumpfohreule in den Bäumen hinter ihm ihren leisen Ruf aus.Irgendwo sprang zischend ein Rasensprenger an.Hoch über ihm zog ein Jet, der vom Flughafen Los Angeles aufstieg, einen Riß durch den Himmel.Delaney hatte sich gerade wieder etwas beruhigt, als plötzlich ein Wagen aus dem Robles Drive in die Straße einbog und mit seinen grellen Scheinwerfern die Nacht vertrieb.Er sah über die Schulter, blinzelte in das Licht und ging weiter
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