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.Die Ureinwohner wurden deshalb als zu dumm für Ackerbau und Viehzucht angesehen und nicht für voll genommen.«Sarah machte eine kleine Pause, in der sie ein wenig unsicher in das Gesicht ihres Großvaters blickte.Doch er verzog keine Miene und hörte ihr ernst zu.Sie fuhr also fort: »Als ich eure Stockmen hier beobachtet habe, musste ich unwillkürlich an all das denken und mich fragen, ob sie mit ihrem heutigen Leben glücklich sind und sich zurechtfinden.« Sie lächelte zaghaft.»Vielleicht haben sie ja auch einen Großvater, der ihnen von früher erzählt, was meinst du?«Shane erwiderte ihr Lächeln und schwieg noch einen Moment.Er schien sorgfältig zu überlegen, bevor er zu sprechen begann.»Ja, das mag sein.Und es ist sicher auch gut so.Ich habe genau wie du oft darüber nachgedacht.Für das, was damals geschehen ist, gibt es keine Entschuldigung.Heute hat man jedoch ein ganz anderes Verständnis für die Kultur der Aborigines als damals; zumindest sollte man es inzwischen entwickelt haben.Ich weiß zwar, dass viele Farmer immer noch abfällig über sie reden, ja, sie ablehnen, aber das resultiert wohl eher aus so etwas wie sozialem Neid.Die Farmer kämpfen häufig ums nackte Überleben und müssen dabei mit ansehen, wie die Regierung vor dem Hintergrund des geschehenen geschichtlichen Unrechts Gelder in Sozialprojekte und Unterstützungen für die Ureinwohner steckt.Wir sehen heute erst die Folgen, die sich aus dem Aufeinanderprallen zweier so unterschiedlicher Kulturen ergeben haben.Die Aborigines sind damals praktisch entwurzelt worden, sie verloren das Land, den Zugang zu ihren heiligen Stätten und ihrer Kultur.Jahrzehntelang wurde von ihnen erwartet, dass sie sich an eine Kultur anpassten, die sie so wenig verstanden wie die Weißen die ihre.Noch in den fünfziger und sechziger Jahren nahm man ihnen häufig einfach ihre Kinder weg und versuchte diese an irgendwelchen ihnen fremden Orten zu Weißen zu erziehen.Das war für mich beinahe das größte Verbrechen, denn schon bald wussten sie, dass sie in dieser Gesellschaft nie so viel wert sein würden wie die Weißen, die ihnen darüber hinaus ständig Dankbarkeit für das ›Privileg‹, bei ihnen aufwachsen zu dürfen, abnötigten.Aber sie hatten auch keine Verbindung mehr zu ihren wirklichen Familien, sie waren im wahrsten Sinne des Wortes entwurzelt.Sie schwebten irgendwo zwischen zwei Welten und waren doch in keiner zu Hause.Kein Wunder, dass viele von ihnen Zuflucht zu Alkohol und Drogen nahmen, um dieses Dasein ertragen zu können.Die Trinker, die Verlorenen unter den Aborigines, das sind heute die, die den Hass der Leute auf sich ziehen.Sie machen es sich einfach und sagen: ›Die werden unterstützt und versaufen doch sowieso alles.‹ Menschen, die so sprechen, sehen dabei nicht die Eltern und Kinder, die in Reservaten und Lagern ohne ihre Kultur, ohne Sinn und Lebensaufgabe aufgewachsen sind.Was soll denn aus solchen Kindern werden? Einige schaffen es trotzdem, aber viele eben auch nicht.Das Problem ist einfach zu komplex, um es ohne Schwierigkeiten lösen zu können.Die Siedler hätten damals das Land nicht einfach an sich reißen dürfen.Umgekehrt kann man es den Nachfahren dieser Siedler auch nicht so ohne weiteres wieder wegnehmen und den Ureinwohnern zurückgeben, mal davon abgesehen, dass viele der jungen Schwarzen gar nicht mehr nach den alten Traditionen zu leben verstünden.Wir Farmer sind natürlich auch nicht bereit, unsere Existenz für die Sünden der Vorväter zu begraben.Unsere Wintinarah-Wolle und -Pferde sind außerdem heute ein Teil der australischen Wirtschaft.Und die Regierung baute Bodenschätze ab, deren Vorkommen sich häufig auf dem Land der Ureinwohner befanden.Das alles kann nicht rückgängig gemacht werden.Es bleibt nur zu hoffen, dass der Respekt voreinander wächst, die Toleranz zunimmt und viele neue Projekte für die Aborigines entstehen.«Er lächelte, als er Sarahs Blick begegnete.»Was nun deine eigentliche Frage angeht – soweit ich weiß, hat es auf Wintinarah-Land keine schweren Auseinandersetzungen oder gar Massaker gegeben.Meine Urgroßeltern haben sich hier zwar niedergelassen, aber weder wurden sie angegriffen, noch haben sie jemanden verjagt.Auch in den späteren Jahren wurden die umherziehenden Aborigines nie vertrieben.Meist blieben sie unten am Fluss für sich und zogen einige Zeit später weiter.Meine Großmutter und dann auch meine Mutter suchten öfter den Kontakt zu den Frauen des Stammes.Einige von ihnen verfügten über ausgezeichnete Kenntnisse in pflanzlicher Heilkunde und Geburtshilfe.Sofern die Verständigung untereinander gelang, lernten meine Mutter und Großmutter vieles von ihnen.Die Frauen erhielten im Gegenzug ein Lamm oder sonstige Vorräte, quasi als Gastgeschenk.Solange ich mich erinnern kann, ist in unserem Haus niemals ein böses Wort über die Ureinwohner gefallen.Meine Großeltern und auch meine Eltern haben Menschen immer nur nach ihren Taten beurteilt, nicht nach ihrer Hautfarbe oder Herkunft.Und so habe ich es auch gehalten.Ich hoffe, meine Tochter hat es an dich weitergegeben.« Er deutete jetzt auf die Männer.»Ich beschäftige gern Aborigines.Diese hier leisten gute Arbeit und können hervorragend mit den Tieren umgehen.Dafür bezahle ich sie auch gut.Barney, der mit dem karierten Hemd dort drüben, ist sogar Vorarbeiter.Auf Wintinarah dulde ich keinen Rassismus.Gute Arbeit gegen gutes Geld.Wer aber stiehlt oder betrügt, fliegt raus, unabhängig davon, ob er schwarz oder weiß ist.« Er schaute seine Enkelin abwartend an.»Na, kannst du mit dieser Philosophie leben? Oder möchtest du Reißaus nehmen?«Sarah schüttelte erleichtert den Kopf.»Danke, dass du so offen mit mir darüber geredet hast, und dafür, dass du dir überhaupt so viel Zeit für mich nimmst, seit ich angekommen bin
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