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.Die Mutter, die nicht zur Arbeit gegangen war, weil sie bei ihrer Tochter bleiben wollte, die völlig geistesabwesend wirkte, nahm den Hörer ab.Die Polizei wollte Cristina persönlich befragen – sie sollte sich noch am selben Vormittag in einer bestimmten Polizeiwache bei einem bestimmten Inspektor melden.Die Mutter weigerte sich.Die Polizei drohte.Am Ende hatten sie keine andere Wahl.Sie waren pünktlich zur angegebenen Zeit erschienen.Der Inspektor wollte wissen, ob Cristina den Mörder kenne.Sie hatte noch die Worte ihrer Mutter im Ohr: ›Sag nichts! Wir sind Immigranten, Schwarze, die Täter sind weiß, Belgier.Sobald sie aus dem Gefängnis herauskommen, werden sie hinter dir her sein.‹»Ich weiß nicht, wer’s war.Ich habe ihn noch nie gesehen.«Als Cristina das sagte, spürte sie, wie ihr ihre ganze Lebensfreude abhandenkam.»Selbstverständlich weißt du es!«, entgegnete der Polizist.»Hab keine Angst, dir passiert nichts! Die Gruppe wurde fast vollständig festgenommen, wir brauchen nur noch Zeugen für das Verfahren.«»Ich weiß nicht, wie das passiert ist, ich stand nicht direkt daneben.Ich habe nicht gesehen, wer’s war.«Der Inspektor schüttelte verzweifelt den Kopf.»Das wirst du vor Gericht wiederholen müssen«, meinte er.»Wie du sicher weißt, kommt man auch für Falschaussagen ins Gefängnis.«Ein paar Monate später wurde Cristina zur Gerichtsverhandlung geladen.Die Jungen waren alle da.Sie hatten ihre Anwälte dabei und schienen noch immer guter Dinge zu sein.Eines der Mädchen, das auch in der Disco gewesen war, zeigte auf den Täter.Dann war Cristina an der Reihe.Der Staatsanwalt bat sie, die Person zu identifizieren, die ihrem Freund die Kehle durchgeschnitten hatte.»Ich weiß nicht, wer’s war«, sagte sie noch einmal.Sie war schwarz.Tochter von Immigranten.Hatte ein Regierungsstipendium.Wochenlang hatte sie die Zimmerdecke angestarrt, hatte keine Lust zu lernen, zu gar nichts mehr Lust gehabt.Nein, die Welt, in der sie bislang gelebt hatte, gehörte ihr nicht mehr: Mit sechzehn hatte sie auf die schlimmstmögliche Weise gelernt, dass es für sie keine Sicherheit im Leben gab – wenn sie ihre Lebensfreude und ihre Kräfte wieder zurückbekommen wollte, musste sie Antwerpen unbedingt verlassen, auf Reisen gehen.Die Jungen wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen – es wären zwei Zeugen notwendig gewesen, um sie zu verurteilen.Gleich nachdem sie das Gerichtsgebäude verlassen hatte, rief Cristina die Nummern auf den beiden Visitenkarten an, die die Fotografen ihr gegeben hatten, und vereinbarte einen Termin.Dann ging sie zu der Boutique, deren Besitzer sie angesprochen hatte.Dort hieß es, der Besitzer sei verreist, er habe in ganz Europa Boutiquen und sei enorm beschäftigt und seine Telefonnummer geheim.Zum Glück haben Fotografen ein gutes Gedächtnis.Sie wussten gleich, wen sie am Apparat hatten, und machten sofort einen Termin aus.Zu Hause angekommen, teilte Cristina ihrer Mutter ihre Entscheidung mit.Sie bettelte nicht, versuchte nicht, ihre Mutter zu überzeugen.Cristina sagte schlicht und einfach, sie werde die Stadt für immer verlassen.Und ihre einzige Chance dafür sei, als Model zu arbeiten.Jasmine (Cristina) blickt noch einmal in die Runde.Noch sind es drei Stunden bis zur Modenschau, und die Models essen Salat, trinken Tee, unterhalten sich über ihre nächsten Engagements.Sie sind aus unterschiedlichen Ländern gekommen, etwa gleich alt wie Jasmine – 19 – und haben alle nur zwei Dinge im Kopf: an diesem Nachmittag einen neuen Vertrag zu bekommen oder einen reichen Ehemann zu finden.Cristina kennt die täglichen Pflegerituale einer jeden von ihnen: Vor dem Schlafengehen benutzen sie verschiedene Tonics, Feuchtigkeitslotionen und Cremes, um die Poren zu reinigen und die Haut geschmeidig zu erhalten, und machen sich früh von äußerlichen Wirkstoffen abhängig.Nach dem Aufwachen massieren sie den Körper mit weiteren Cremes und weiteren Feuchtigkeitslotionen ein.Sie trinken eine Tasse Kaffee ohne Zucker, essen dazu Obst mit vielen Ballaststoffen – damit die Nahrungsmittel, die sie im Laufe des Tages zu sich nehmen, den Darmtrakt schnell wieder verlassen.Sie machen etwas Gymnastik, bevor sie zur Arbeit oder auf Arbeitssuche gehen.Normalerweise machen sie nur Stretching.Fürs Training im Fitnessstudio sind sie noch zu jung, ihr Körper würde durch das Krafttraining zu männlich werden.Täglich steigen sie drei- oder viermal auf die Waage – die meisten haben sogar eine Waage im Gepäck, weil sie nicht immer in Hotels, sondern häufig in Pensionen untergebracht sind.Jedes zugenommene Gramm stürzt sie in Depressionen.Die meisten sind zwischen 17 und 18 Jahre alt und werden deshalb von ihren Müttern begleitet.Sie sind zwar alle in jemanden verliebt, aber sie stehen nicht zu ihren Gefühlen, gestehen sie sich nicht einmal ein, denn Reisen würde dann heißen, den Liebsten zu verlassen, und wäre sehr viel schwerer erträglich.Auch darf derjenige, in den sie verliebt sind, nichts von ihren Gefühlen erfahren, denn sonst wäre er womöglich eifersüchtig und würde aus lauter Angst, seine Freundin an jemand anderen zu verlieren, erst gar keine Beziehung mit ihr haben wollen.Ja, und an Geld denken sie natürlich auch.Sie verdienen im Durchschnitt 400 Euro pro Tag, ein beneidenswert hohes Honorar für jemanden, der oft noch nicht einmal alt genug ist, um den Führerschein zu machen.Aber der Traum ist da noch nicht zu Ende.Die Mädchen wissen alle, dass sie bald schon von neuen Gesichtern, neuen Trends abgelöst werden, und wollen darum zeigen, dass sie für mehr Talent haben als nur für den Laufsteg.Sie liegen ihren Agenturen in den Ohren, ihnen Castingtermine für einen Film zu vermitteln, damit sie zeigen können, dass sie das Zeug zur Schauspielerin haben– und das ist dann der ganz große Traum.Die Agenturen versprechen, sich darum zu kümmern, die Mädchen müssten sich nur etwas gedulden, ihre Karriere stehe ja erst am Anfang.Tatsächlich aber haben die Agenturen keinerlei Kontakte außerhalb der Modewelt.Sie verdienen einen anständigen Prozentsatz an den Honoraren der Models, stehen im Wettstreit mit anderen Agenturen, und so groß ist der Markt letztlich auch wieder nicht.Es ist besser, jetzt so viel wie möglich mitzunehmen, bevor das Model die gefährliche Altersgrenze von zwanzig überschreitet – wenn die Haut von zu vielen Cremes zerstört, der Körper von der kalorienarmen Ernährung geschwächt, das Gehirn bereits von Appetitzüglern angegriffen und der Blick leer geworden ist.Anders als immer behauptet wird, kommen die Models für ihre Kosten selber auf – Flugticket, Hotel und die ewig gleichen Salate.Die Models, besser gesagt, diejenigen unter ihnen, die Chancen haben, auf wichtigen Modenschauen zu laufen oder in Modemagazinen zu erscheinen, werden von den Assistenten der Stylisten zu Castings eingeladen.Da stehen sie dann vor chronisch schlechtgelaunten Menschen, die die geringe Macht, die sie tatsächlich besitzen, dazu nutzen, ihre täglichen Frustrationen an den Models abzureagieren.Nie fällt auch nur ein freundliches oder ermutigendes Wort, vernichtende Kommentare wie »schrecklich!« dagegen schon eher.So geht es von einem Casting zum nächsten.Die Models hängen an ihren Mobiltelefonen wie an einem rettenden Strohhalm, als könnten diese ihnen die göttliche Erleuchtung, den Kontakt zu einer höheren Welt vermitteln, in der sich ihr Traum von Erfolg, Schönheit und Ruhm verwirklicht.Die Eltern sind stolz auf ihre Töchter, deren Karrieren sich gut anlassen, und bereuen, anfangs gegen diese Berufswahl gewesen zu sein.Letztlich verdienen die Mädchen Geld und unterstützen die Familie.Ihre Freunde, die sie möglicherweise dann doch haben, kommen fast um vor Eifersucht, beherrschen sich aber, denn es schmeichelt ihrem Ego, mit einer aus der Modewelt zusammen zu sein [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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